Silbermond - Die Aldor
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[Geschichte] Pflicht und Traum

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Beitrag von Thinael Do Apr 23, 2015 11:55 pm

Sanftmütig mochte man den kristallklar blauen Himmel Lordaerons an jenem Frühlingsmorgen nennen, mit einer handvoll weicher Wolken, die ihn durchzogen und den Blick sehnsüchtig zum Horizont zu lenken versuchten. Auffordernd fast, so als würden sie die unbekannte Fremde hinter den gräsernen Hügeln und der im Sonnenlicht nahezu glitzernden Oberfläche des Lordameres mit all ihrer verfügbaren Macht der unberührten Schönheit preisen wollen; zu einem Abenteuer ungeahnten Formates verlocken. Das, was einen noch abzuhalten vermochte, war der förmlich wahrnehmbare Geruch von Magie in der Luft, ein verlockendes Prickeln auf der Haut. Sie – die Magie – war es auch, die den Anblick von hohen, kunstvollen Türmen und unvergleichlicher, verspielter Architektur inmitten dieses unbefleckten Landstriches erst ermöglicht hatte, viele Jahrhunderte zurückliegend.
Sie, die Herrscherin über eine einzigartige, nie dagewesene Stadt voll Leben, Wissen und einem unstillbaren Durst nach mehr: die Magokratie Dalaran.
Die Straßen und verwinkelten Gassen des atemberaubenden Juwels waren ein Bildnis der Ordnung und Sauberkeit, selbst im geschäftigen Treiben der sich täglich tummelnden Bürger. Ein Sammelsurium an bunten Völkern, ob klein, groß, edel, sonderbar. Sie alle konnten aus sicherer Entfernung eines unscheinbaren Turmzimmers bei ihrem lebendigen Alltag beobachtet werden, aus einem weitläufigen Fenster, durch eine distanzierende Scheibe getrennt. Ihr häufiger Beobachter war dabei nicht mehr als ein sommersprossiges, zartgliedriges Kind, dessen Ohren in filigranen Spitzen endeten, die einzelnen Bilder der Stadt mit den blauen Augen gebannt einfangend, gekrönt von einem streng gebundenen Teppich schwarzen Haares.
Nicht aber an diesem Tag. Jener galt einzig und allein der Faszination exotischer Geschichten, die von ruhiger Hand in geschwungener Schrift auf ‚alt‘ duftenden Seiten Pergaments gebannt worden waren. Ein fantastischer Traum von Heldenruhm, erworben nur durch die edelsten aller Männer der kämpferischen Zunft – Ritter. Ob sie nun völlig einsam in aussichtsloser Lage Dämonen bezwangen, Prinzessinnen retteten, ihrem Königreich zu Frieden und Wohlstand verhalfen oder ihre Herzen in den widrigsten Kriegssituationen an die Schönsten unter den schönen Feinden verloren, war dabei gänzlich gleich. Ihre verschlingende Leserin liebte sie alle gleichermaßen und schmückte ihre eigenen Träume von strahlender Zukunft mit ihnen aus.
Doch beim behutsamen Umblättern mit den kleinen Händen, um den Ausgang eines weiteren Abenteuers zu erfahren, riss ein Klopfen das Mädchen jäh aus ihrer Konzentration und Versunkenheit, welches nur das Eintreten der Gouvernante ankündigen konnte. Hastig wurde das Lesezeichen in Form eines dünnen Häkelbandes eingelegt, um mit heller Stimme den ersuchten Eintritt zu bestätigen, der den Blick auf die silberhaarige Dame elfischer Herkunft freigeben sollte. Feine Linien, das blaue Augenpaar umspielend, ließen im Ansatz auf ihr hohes Alter und die damit einhergehende, ehrfurchtgebietende Lebenserfahrung schließen. Fließend gingen die Bewegungen der zierlichen Gestalt vom Sitzen auf der Fensterbank in den Stand und einen damit einhergehenden, formellen Knicks über, der in nicht weniger als vollendeter Perfektion erwartet wurde. Und dieses blutjunge Kind ließ es daran nie fehlen – beinahe ein Bildnis an absolutem Gehorsam, vornehmen Schweigens und vollkommener Abwesenheit einer rebellischen Ader. Selbst wenn die Sehnsucht in den großen Kinderaugen nach einer offenen Tür im goldenen Käfig noch so greifbar erschien, sie ließ sich ein jedes Mal von einem Blick in die geliebten Bücher wieder stillen. Dennoch traf sie der unausweichlich strenge Blick, gepaart mit der harten, lieblosen Stimme der ältlichen Quel’dorei, die ihr beide immer wieder in Erinnerung riefen, welch Privileg ihr Leben in seiner Gesamtheit an ausufernder Erziehung und Lehre doch war. „Man erwartet Euch zum Unterrichtsbeginn im Tanzsalon, entsprechend gekleidet und mit gebundenen Spitzenschuhen.“

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Kleiner Gruß aus der Inaktivität. Ja, die Parallele des Titels zu Romanen aus der Feder Jane Austens ist beabsichtigt.
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